Manjo, der Fußpfleger oder die Kehrseite von Indiens Männerdominanz

“Warum werden Indiens Frauen eigentlich so unterdrückt?“    Das ist bislang die häufigste Frage, die mir für meinen Blog  gestellt wurde und ich werde zu einem späteren Zeitpunkt noch ausführlicher darauf eingehen. Versprochen! Heute möchte ich das Thema von einem anderen Blickwinkel beleuchten: viele Berufe, die in Deutschland klar Frauenjobs sind, werden hier von Männern wahrgenommen, was ich ganz komisch finde.

Auch Verköufer sein ist Mönnersache.

Nie werde ich vergessen, wie ich bei einer früheren Indienreise in Chennai in ein renommiertes Bekleidungsgeschäft für Stoffe und Saris ging und gleich drei Männer versuchten, mich zu bedienen. Keine Frau weit und breit. Nicht dass Männer keine guten Verkäufer wären, aber es ist einfach ungwohnt, wenn ein Mann vor der Kabine steht und fragt: „Und passt es?“, während die anwesend Frauen (falls es welche gibt) sich verdrückten, manchmal auch, weil sie sich nicht getrauen, englisch zu sprechen.

Im indischen Schönheitssalon

Wenn ich auf Reisen bin, gehe ich gerne mal in einen Schönheitssalon. Denn egal wo auf der Welt es ist, schön auszusehen, ist nunmal ein Grundbedürfnis des weiblichen Geschlechts (und auch mancher Männer ). Ich finde Schönheitssalons sagen was über die Kultur des Landes. In den USA etwa sind es meist die Einwanderinnen aus spanischsprachigen Ländern, die Pediküre, Maniküre oder doch eine Massage anbieten. Dafür ist die Auswahl an Nagellack immens.

Überschaubar: die Auswahl an Nagellack im indischen Salon

In Ägypten ist der Schönheitssalon klar Frauensache. Hier wird geklatscht und getratscht, hier kann Frau sich zeigen, ohne Schleier und Kopftuch versteht sich. Und in Indien?

Tut gut: Fußpflege inklusive Massage

Seit Wochen laufe ich in Treckingsandalen durch die staubigen Straßen, nun könnten meine Füße eine Pflege vertragen. Also melde ich mich im Hotel zur Pediküre an. Drei Frauen warten am Eingang, dann werde ich in den Behandlungsraum geführt. Doch die Behandlung wird ihr männlicher Kollege Manjo durchführen, während die Frauen kichernd und lachend im Nachbarraum verschwinden. Erst als er fertig ist, kommen sie zurück.

02.10 – Ghandis Geburtstag

Heute ist in Indien Feiertag, dieses Mal ist es kein religiöser, sondern ein politischer: am 2. Oktober1869 wurde Mohandas Karamchand Gandhi in Porbandar im indischen Bundesstaat Gujarat geboren. Der Ehrenname Mahatma“ ( „große Seele“) wurde ihm erst später verliehen.  Gandhi soll über den Ehrentitel nicht glücklich gewesen sein. Bis heute gilt er mit seinem gewaltlosen Kampf gegen die britischen Machthaber, der schließlich Indien die Unabhängigkeit brachte, als „Vater der Nation“.

Ghandis Büste in an vielen Orten zu sehen, hier im Zentrum von Neu Delhi

Heute werde Ghandi vor allem bei vielen jungen Menschen durchaus kritisch gesehen, hatte mir jüngst eine Geschichtsprofessorin erklärt. Viele könnten mit seiner Bedeutung, seinen gewaltfreien Aktionen und seinem Erbe nichtmehr viel anfangen. Es sei leichter eine Statue zu errichten, als über sein Erbe zu sprechen so die Professorin. Tatsächlich gibt es in den meisten Städten Statuen, die an den „Vater der Nation“ erinnern. Auch sind von Ghandi viele Zitate überliefert wie etwa dieses: „Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du.“

Interessant fand ich die Sprüchesammlung am Flughafen in Mumbai. Hier eine Auswahl:

Sanitäre Anlagen sind wichtiger als politische Unabhängigkeit. Ersteres gibt es heute leider noch nicht ausreichend.

Leben im *****-Sterne Slum

60 Prozent der Menschen in Mumbai leben in Slums. In einer dreistündigen Tour bietet die Organisation „Reality Tour & Travel“ Führungen durch einen der größten der Stadt, den Dharavi Slum, an.  Schätzungsweise eine Million Menschen leben hier auf zwei Qadratkilometer Fläche dicht gedrängt. Bekannt wurden Mumbais Slums 2008 durch den Film „Slumdog Millionaire“. Hier einige meiner Eindrücke.

Zugang zum Slum, während der Tour durften keine Bilder gemacht werden

Jaana Poojari war 15 Jahre alt als er nach Mumbai kam. Der Bauernjunge aus Südindien hatte Träume, große Träume. So wie Millionen anderer, die der große Traum vom Leben in die Millionenstadt treibt. Heute 13 Jahre später lebt er in einem der größten Slums Mumbais und führt Touristen durch die engen Gassen.

Hier befindet sich das Büro der Slumtouren-Organisation. 80 Prozent der Gewinne gehen in Projekte zur Entwicklung des Slumlebens

„Ein Slum ist nichts anderes als Häuser, die auf Land gebaut wurde, das eigentlich dem Staat gehört“, so der Touristenführer. Mit dem Wort Slum habe ich bisher andere Begriffe verbunden: Armut, Hunger, ungesunde Lebensbedingungen und Arbeitslosigkeit. Mit einigen dieser Vorstellungen westlicher Touristen will Jaana aufräumen und zeigt uns, womit Menschen im Slum ihren Lebensunterhalt verdienen. In einer Straße wird Plastikabfall sortiert, kleingeschreddert und dann in Form von kleinen Pellets weiterverkauft. In einer anderen Straße sind die Gerber ansässig. Das Leder wird zu Taschen, Geldbörsen und Gürteln verarbeitet und dann in einem Shop an die Touristen verkauft. Die Menschen hier verdienen gutes Geld, will der 28jährige beim Gang durch die schmalen Gassen und vermüllten Wegen überzeugen. „Wer hier lebt, gehört zur Mittelklasse“, ist er überzeugt. Für deutsche Ohren ist das schwer nachvollziehbar. Auch dass angeblich 40 Prozent von Mumbai Polizisten im Slum leben, was diesen besonders sicher mache. Nur ein Problem lasse sich schwer lösen, so  Jaana, die sanitären Verhältnisse.

Öffentliche Toiletten nutzen, für viele Inder ist das Alltag

Tatsächlich haben die wenigsten Häuser eigene Badezimmer. So müssen die Menschen die öffentlichen Toiletten benutzen. Der Wunsch nach bessere sanitären Einrichtungen sei einer der wenigen Gründe, warum junge Leute bereit wären, den Slum zu verlassen und in einer der von der Stadt bereitgestellten Hochhäuser umzuziehen, so Jaana. Tatsächlich will die Stadt allen Slumbewohnern, die vor der Jahrtausendwende bereits im Slum registriert waren, anderen Wohnraum zur Verfügung stellen. Was sich zunächst gut anhört, wurde in anderen indischen Städten wie etwa Chennai zum Desaster. Nach der Umsiedlung müssen die Slumbewohner zum Teil wesentlich längere Strecken zu ihren Arbeitsplätzen zurücklegen. Für viele Slumbewohner ein Preis, den sie nicht zahlen wollen.

Auch diese Tongefäße werden im Dharavi Slum hergestellt. Bevor es Kühlschränke gab, wurden darin Lebensmittel gekühlt.

Zum Schluß zeigt uns Jaana noch eine typische Slumwohnung. Vier Personen teilen sich einen zirka fünf Quadratmeter großen Wohnraum. Die Decke ist abgehängt, so dass noch Platz zum Schlafen geschaffen wurde. In einer Ecke sind zwei Gasplatten, daneben eine Spüle, darüber ein Regal mit Gewürzen. An der Wand hängt ein Flachbildschirm, darüber ein Regal mit Fotos. Daneben hängt eine Art Schrein als Altar. „Der darf nicht fehlen. Jede Familie hat ihren eigen Gott“, erzählt unser Slumführer. Vier Personen auf so engem Raum, in Deutschland wäre das kaum vorstellbar!!!

Nach 13 Jahren in Mumbai hat Slumführer Jaana inzwischen neue Träume. Er möchte wieder in seine Heimat zurückkehren, aufs Land zu seiner Familie und in die Fußstapfen seiner Vaters treten. In Mumbai zu leben, koste seinen Preis, meint er. Die schlechte Luft, der dichte Verkehr und der wenige Platz mache das Leben in der Stadt manchmal ganz schön anstrengend.

Mumbai -Stadt der Gegensätze, nirgendwo wohnen so viele Menschen im Slum und sind die Immobilienpreise so hoch

Leider war es verboten, während der Tour Fotos zu machen. Die gezeigten Bilder sind alle außerhalb des Dharavi Slums aufgenommen. Lediglich das nachfolgende wurde vom Veranstalter der Tour zur Verfügung gestellt.

Cardboard Recycling

 

Campusleben: Gaststudentin an Indiens Eliteschmiede

Die Symbiosis International University, eine private Universität, ist besonders stolz auf ihre internationale Ausrichtung. Heute möchte ich ein bischen von meinem indischen „Studenten“-Alltag erzählen. Eine Woche lang waren wir im Rahmen unseres Programms an der „Symbiosis International University“ in Pune, einer der renommiertesten Privatunis des Landes. Eigenen Angaben zufolge rangiert die Universität in vielen Disziplinen unter den Top 10. Überprüfen kann ich das nicht, aber wenn man sich den Campus anschaut, mit den Studierenden spricht und etwas Hintergründe über das indische Bildungwesen erfährt, kann man sich denken, wie priviligiert die Studierenden hier sind. Dafür zahlen sie auch einen hohen Preis.  Etliche tausend Euro betragen die Studiengebühren, viel Geld in einem Land, wo der Durchschnittsverdienst bei rund 1000 Euro liegt (in Deutschland: € 30000).

Dafür bietet das Campusleben viel Komfort.

In der Ferne die Stadt. Die Abgeschiedenheit hat auch Vorteile: viel Ruhe, gute Luft, wenig Ablenkung
Die Bushaltestelle, die Verbindung zur Stadt
Bei uns besonders beliebt: das Schwimmbad
Der Sportkomplex
Die Kantine
Ganz modern: überall stehen Leihfahrräder auf dem Campus
Hat mich sehr beeindruckt: bunte Saris als Arbeitskleidung für die Reinigungskräfte
Überall bunte Abfalleimer
Studententreffpunkt: der Platz vor der Kantine
Außergewöhnlich: zum Unigelände gehört auch ein Hubschrauberlandeplatz
Gäste der Uni werden mit dem Golfwagen gefahren

Wir bekommen in der einen Woche viele interessante Vorträge mit Professoren der unterschiedlichsten Fachbereiche und besuchen eine internationale Medienkonferenz. Was für ein Privileg, in einem Land, in dem Zugang zu guter Bildung  zu den größten nationalen Herausforderungen zählt. Nur rund jeder vierte Schüler erreicht ein Schulniveau, das ihm den Besuch eines weiterführenden College ermöglicht. Es gibt zwar staatliche Schulen, aber Lehrer sind schlecht bezahlt und ihr Gehalt hängt von der Zahl ihrer Schüler ab, so lerne ich. Vor allem auf dem Land sei die Situation problematisch. Viele Kinder werden von ihren Eltern nur zur Schule geschickt, weil es dort gutes Essen gäbe, erzählt uns Dr. Vidya Yeravdekar, deren Vater selbst Lehrer war und die Symbiosis-Universität gegründet hat. Vor allem Mädchen werden häufig viel zu früh von der Schule genommen, um zu arbeiten oder zu heiraten. Vor allem in den nördlichen Bundesstaaten sei dies ein großes Problem. In der Bildung gäbe es ein Nord-Südgefälle, lerne ich. Hilfe zur Selbsthilfe beginne damit, den Eltern klar zu machen, wie wichtig es ist, ihre Mädchen zur Schule zu schicken. „Empower the girls, empower the family“, so Yeravdekar. Leider sei Bildung nur bei den wenigsten Politikern auf der Agenda, so die Schulleiterin.

Bye, bye Bangalore – willkommen Pune

Heute ging unsere Reise weiter von Bangalore nach Pune. Das heißt, genauer gesagt sind wir nun zirka eine Autostunde außerhalb der Millionenstadt Pune an der Symbiosis International University.  http://www.siu.edu.in.

 

Der Campus der Privatuniversität liegt auf einem Berg, abseits jeglicher Wohnviertel.

Nach zweieinhalb Wochen Grosstadttrubel dürfen sich meine Ohren wieder an das Zwitschern der Vögel und das Zurren der Grillen gewöhnen. Aber ich wäre nicht in Indien, wenn nicht doch in der Ferne Trommelgeräusche zu hören wären.

Und Bangalore und Pune scheinen zwei Welten zu sein.

Abflug Bangalore

Bangalore hat mich seinem vielen Grün, den angenehmen Temperaturen und dem relativ westlichen Lebensstil sehr begeistert.

800 Kilometer liegen zwischen Bengalore und Pune

Als wir nach einer Stunde Flug in Pune ankommen, sind die Straßen nass vom letzten Regenschauer. Auf den ersten Blick erschließt es sich mir nicht, dass diese Stadt auch zu den lebenswertesten des Landes gehören soll. Bei der Fahrt durch die Innenstadt wirkt sie eher auf mich eher heruntergekommen. besonders fallen mir die vielen Satelitenschüsseln auf den Wellblechhütten auf.

Satellitenschüsseln über jeder Wellblechhütte, das habe ich in Indien bislang nicht gesehen

Nach einer Weile fahren wir durch eine Geschäftsstraße, an der sich ein westlicher Laden an den anderen reiht.

Unten Geschäfte und oben…
Wahlplakate gibt es hier überall
Das Postamt…

Umso erstaunter bin ich, zu sehe, dass sich in den Stadtrandgebieten ein neugebauter Wohnblock an den anderen reiht. Vieles ist noch im Entstehen, so auch die Straße,  die sich nach dem Regen in ein Schlammloch verwandelt hat.