„Hättest du noch Lust mit an den Strand zu kommen?“ Das wollte ich mir nicht entgehen lassen. Chennai liegt am Indischen Ozean. Was könnte es da Schöneres geben als einen Abendspaziergang am Wasser? „Können wir nicht direkt im Sand am Wasser gehen?“, frage ich meine Begleitung. „Ich glaube kaum, dass du das möchtest“, so die Antwort. Der Strand ist für die Menschen, die hier im Fischerdorf leben, auch ihr Badezimmer. Später werde ich erfahren, dass schätzungsweise jeder Zehnte Inder kein eigenes Bad hat. Besonders für Frauen und Kinder ist es gefährlich, wenn sie bei Dunkelheit Ihre Häuser verlassen müssen, um ihre Notdurft zu verrichten.
Wie schade. Schon im Vorfeld der Reise hatte ich mich darauf gefreut, im Meer spazieren gehen zu können. Doch auch der Gang durchs Fischerdorf ist spannend. Beim Blick durch die offene Wohnungstür fällt mir das Fernsehgerät auf. „Den gab‘s als Geschenk bei einer der letzten Wahlen“, erklärt mir meine Begleitung.
Von Geschenken dieser Art hatte ich schon gehört, aber bislang dachte ich, das wären kleinere wie ein Stück Seife etc.
„In dieser Familie gab es wohl was zu feiern“, höre ich meine Begleitung sagen. „Dann werden die Häuser bunt angemalt“.
In diesem Dorf ist das bunte Haus auffällig. Später werde ich solche Häuser noch häufiger sehen. Auch die „heilige Kuh“ ist an diesem Abend unterwegs, sucht sich ihr Fressen im Müll, auf einem Grundstück, das ebenfalls als Badezimmer benutzt wird. Zu stören scheint sie das nicht.
Die ehemalige französische Kolonialstadt liegt auf halber Wegstrecke auf meinem Rückweg von Tharangambadi nach Chennai. Bis 1954 war die Stadt Hauptstadt Französisch-Indiens. Den französischen Einfluss merkt man bis heute. Ein nettes Städtchen, kein Wunder, dass sich hier viele Touristen tummeln.
Wer nach Tharangambadi kommt, kann das Denkmal für Bartholomäus Ziegenbalg am Ende des Hauptstraße, in einer Ecke des größten Platzes der Stadt, kaum übersehen. Anlässlich des 300. Jahrestags seiner Ankunft wurde es gestiftet. Für mich wirkt die lebensgroße Goldstatue mit der Lockenperücke befremdlich, aber in Südindien gibt es viele Büsten dieser Art. Meist werden damit wichtige Politiker oder andere Persönlichkeiten geehrt.
1706 kam Ziegenbalg als erster deutscher protestantischer Missionar nach Indien. Schnell lernte er die Sprache der Einheimischen, Tamil, und übersetzte die Bibel. Umgekehrt übersetzte er auch tamilische Schriften ins Deutsche. Ziegenbalg ließ eine Druckpresse aus Deutschland kommen und gilt bis heute als „Erfinder“ des tamilischen Buchdrucks.
Damit nicht genug: gemäß seines deutschen Vorbilds, dem Hallenser Theologen August-Herrmann Franke, wollte Ziegenbalg Glaube mit sozialem Engagement verbinden und richtete Waisenhäuser und Schulen für Jungen und Mädchen ein und setzte sich für Witwen und Sklaven ein. Dabei war es ihm nicht nur wichtig, dass die Einheimischen die Bibel in ihrer Sprache lesen konnten, sondern er gründete die erste lutherisch-tamilische Kirche und ließ der Gemeinde ein Kirchengebäude bauen. Den Dänen gefiel das Engagement des Sachsen nicht. Kurzerhand ließen sie ihn für vier Monate ins Gefängnis einsperren. Ziegenbalg nutzte die Zeit für seine Übersetzungen.
Im Oktober feiert die Kirche ihr 300jähriges Bestehen. Bis heute gilt sie als die erste für Einheimische errichtete Kirche Asiens.
Hier in Gottesdienst zu gehen, fand ich besonders und komisch zugleich. Ohne ein Wort Tamil zu sprechen, konnte ich dem Gottesdienst gut folgen. Die gesungenen Lieder entstammen dem evangelischen Gesangbuch, der Ablauf entspricht dem eines klassisch lutherischen Gottesdienstes. Zugleich wirkte es auf mich auch ein bischen, als ob die Zeit stehen geblieben ist.
Seit gut einem Jahr gibt es im ehemaligen Wohnhaus des Missionars aus Sachsen ( Ziegenbalg ist in Pulsnitz geboren) ein Museum für den interkulturellen Dialog. Gefördert wird dies u.a. Von den Frankeschen Stiftungen in Halle a.d.S.
Ziegenbalgs Vermächtnis, so erklärte mir Tage vor meiner Reise nach Tharangambadi ein Historiker in Chennai, sei ein Vielfältiges. Er habe nicht nur die Bibel in verständliches Tamil übersetzt und so ähnlich wie Luther die über 4000 Jahre alte tamilische Sprache für die Menschen zugänglich gemacht. Leute wie Ziegenbalg hätten auch den Hinduismus beeinflusst. Gedanken wie Gnade habe es zuvor nicht gegeben.
Ich finde es jedenfalls spannend, dass die Spuren von Ziegenbalg auch fast 300 Jahre nach seinem Tod noch sichtbar sind. Dabei wurde er gerade mal 36 Jahre alt.
Noch in Deutschland wurde mir der Tipp gegeben, wenn ich schon im Süden Indiens bin, mir doch einmal Tranquebar anzuschauen. Heute heißt der Ort Tharangambadi und liegt rund 270 Kilometer südlich von Chennai.
Vor 300 Jahren war Tranquebar Stützpunkt der dänischen Kolonie. Im Auftrag des dänischen König wurde der sächsische Theologe Bartholomäus Ziegenbalg (siehe nächster Blogeintrag) 1706 vom dänischen König als erster protestantischer Missionar dorthin entsandt. Der Ausflug nach Tharangambadi war zugleich meine erste Tour alleine und deshalb einen extra Eintrag wert.
“Sechs Stunden Fahrt für 270 Kilometer?“, anfangs wollte ich nich so recht glauben, dass es so lange dauern würde, um nach Tharangambadi zu kommen. Sollte ich es trotzdem machen, war es den Aufwand wert?
Nachdem ich erfahren hatte, dass es zwar einen durchgängigen Bus gibt, dieser aber nur mitten in der Nacht ankommt, entschied ich mich für die Bequemvariante, einen Fahrer mit Auto mieten. Das Gute daran ist, man braucht sich um nichts, wirklich gar nichts zu kümmern. Aber ein bischen gewöhnungsbedürftigt ist es…
Pünktlich um 7 Uhr steht der Fahrer vor der Tür. Er spricht etwas englisch und will natürlich sofort wissen, was ich beruflich mache. (Manche Inder sind sehr neugierig. Man kann es auch so sehen: das Gespräch mit einem Ausländer ermöglicht ihnen einen Einblick in eine Welt, die sie möglicherweise nie mit eigenen Augen werden sehen können). Als ich meinem Fahrer erzähle, was ich mache, erzählt er mir auf gebrochenem Englisch, dass auch er schreibe, vor allem auf Facebook und zeigt mir stolz seine Einträge, die ich nicht verstehe, weil sie auf Tamil sind.
Nach etwa zwei Stunden machen wir unsere Frühstückspause, die mein Fahrer mit der Frage ankündigt, ob ich einen Kaffee möchte. (Den anderen zu fragen, ob er was möchte, ist die indische Art auszudrücken, dass man gerade selbst ein Bedürfnis hat).
Nach einem Dosa und Kaffee (siehe mein Blogeintrag zum indischen Frühstück), geht es weiter. Je weiter wir in Süden kommen, desto mehr verändern sich Straßen und Landschaft. Die Straßen werden schmaler und enger, was meinen Fahrer keineswegs davon abhält möglichst schnell zu fahren, bei jeder Gelegenheit zu überholen oder es zumindest zu versuchen.
Hier ein paar Eindrücke von der Fahrt:
Nach einer Weile fragt mich mein Fahrer, ob ich Lust auf eine Kokosnuss habe. Wir nehmen beide gleich zwei, weil die Früchte so lecker sind. Zuerst wird der Saft getrunken, dann schneidet der Händler die Frucht so auf, dass man das Fleisch essen kann. Dabei schnitzt er in Sekundenschnelle aus einem Teil der Nuss einen Löffel. Was für eine pragmatische Lösung!!! Da die Nuss noch relativ frisch ist, ist das Fleisch glitschig und sehr weich.
Nach sechs Stunden Fahrt erreichen wir endlich Tharangambadi, das früher den europäischen Namen Tranquebar hatte.
Tharangambadi liegt direkt am indischen Ozean. So verlockern es aussieht, Baden ist hier leider nicht möglich. Auch die einheimischen Touristen strecken nur ihre Füße ins Wasser. Ich bin überrascht, wie gewaltig die Strömung ist. Mit jeder Welle werden gut 10 Zentimeter Sand unter meinen Füßen ins Meer gespült. Als an Weihnachten 2004 der Tsunami kam, wurden auch hier die Fischerboote zerstört und viele Menschen starben. Hilfe kam damals auch aus Deutschland, u.a. aus Ziegenbalgs Heimatstadt Pulsnitz. Die Boote konnten ersetzt werden, doch wie die Menschen hier das Trauma überlebten bzw. welche Wunden der Verlust von Eltern, Verwandten oder Freunden geschlagen hat, lässt sich nur erahnen.
indisch, Essen, Hausfrau, Mixi, Handrührgerät, Cutney, Für die indische Hausfrau ist der Mixi, das, was für die deutsche das Handrührgerät oder sogar der Thermomix: das Hausgerät, das in jeder Küche zu finden ist und auf das niemand verzichten will.
Der Mixi sieht aus wie ein Standmixer und wird vor allem für die Zubereitung von Cutneys gebracht. Dazu werden je nach Cutney Mengen an Kokosnüssen, Linsen oder Gewürzen kleingeraspelt und dann mit Wasser vermengt.
Wie wichtig der Mixi ist, wird mir bewusst als wie in einem Fischerdorf unterwegs sind. Die Menschen erzählen uns, wie das Leben teuer geworden ist, vor allem die Kosten für Wasser und Strom. „Auf was können die auf keinen Fall verzichten?“, fragt einer meiner Kollegen eine der jungen Mütter. „Nicht auf den Ferseher, den Kühlschrank und auf keinen Fall auf meinen Mixi“, so die spontane Antwort.